Vulkan-Insel Flores: Seelen im See

Vulkan-Insel Flores: Seelen im See

Wie eine Pyramide ragt der Vulkan Inerie über dem Bergdorf Bajawa auf der Insel Flores auf. Ein grüngrauer Kegel, der meist einen Wolkenhut trägt. Auf diesen Gipfel will ich hinauf. Auf der rund 15’000 Quadratkilometer grossen Insel gibt es allein 15 Vulkane. Der Inerie ist der dritthöchste. 2245 Meter über Meer gilt es zu erklimmen, von Bajawa aus sind das etwas mehr als 1000 Höhenmeter. Im Homestay, in dem ich übernachte, wird eine Trekkingtour angeboten. Da ich den Sonnenaufgang sehen möchte und es tagsüber zum Wandern zu heiss ist, geht die Tour schon um 2.30 Uhr los.

Dino ist mein Guide. Als ich um 2.30 schlaftrunken aus dem Zimmer wackle, hat er bereits Kaffee gekocht und wartet eine Zigarette rauchend auf mich. Er drückt mir einen Helm in die Hand und dann geht es los. Ich habe Zweifel ob der schmächtige 17-Jährige mit mir auf dem Rücksitz wirklich die kurvige Strasse zum Startpunkt am Fuss des Vulkans fahren kann. Doch er fährt sehr selbstsicher, wahrscheinlich sass er schon als kleiner Junge auf einem Roller, wie die meisten Indonesier. Der Mond ist fast voll und leuchtet gelb. Der Inerie ist ein schwarzes Dreieck vor uns. Ein hohes Dreieck.

Dino schreitet zügig voran. Er leuchtet mit der Taschenlampe seines Handys auf den Weg und spielt gleichzeitig Musik ab. Der Weg ist extrem steil und rutschig, da er aus losem Schotter aus Vulkangestein besteht. Schon bald brauche ich eine Pause. Als ich schnaufend hinter Dino her kraxle, frage ich mich, warum ich unbedingt hier heraufsteigen wollte. Nach etwa eineinhalb Stunden wird es plötzlich kalt: Wir haben die Wolken erreicht. Nebel hüllt uns ein und kriecht uns in die Kleider. Als Dino vorschlägt, nur zum unteren Kraterrand zu gehen statt zum Gipfel, lehne ich vehement ab. Wenn ich schon hier bin, will ich auf den richtigen Gipfel. Nach insgesamt zweieinhalb Stunden erreichen wir ihn. Wir setzen uns hinter einen Hügel, um uns vor dem starken Wind zu schützen, der über den Kraterrand bläst. Dino bietet mir Kaffee aus der Thermoskanne an. Er ist süss und heiss und ich denke, dass mir selten Kaffee so gut geschmeckt hat.

Den Sonnenaufgang sehen wir leider nicht. Dafür ist es zu bewölkt. Es wird nur allmählich heller und irgendwann ist die Sonne höher als die Wolken und wärmt uns. Der Wind bläst die Wolken über den Kraterrand und in der Luft liegt ein fauliger Geruch nach Schwefel. Der Inerie ist zuletzt im Jahr 8050 vor Christus ausgebrochen und gilt nicht mehr als aktiv. Die Landschaft sieht bizarr aus: braune schroffe Felsen ragen neben dem Inerie aus grünen Nadelwäldern auf.

Aussicht vom Inerie auf das Wolkenmeer.

Der Abstieg ist alles andere als einfach. Nach einem kurzen Blick in den Krater steigen wir in eine Schneise ein, die voller Schotter ist und die wir schnurgerade mehr hinunterrutschen als laufen. Ich fühle mich wie auf Skiern und wacklig auf den Beinen. Unglaublich, dass die Indonesier den Auf- und Abstieg in Flip-Flops oder kaputten Turnschuhen bewältigen. Ich bin so müde, dass ich zwei Mal falle. Ich bin froh, als wir wieder den richtigen Weg erreichen, den wir auch hochgestiegen sind. Als wir wieder beim Ausgangspunkt ankommen, bin ich erschöpft, aber stolz, dass ich den Berg geschafft habe. Wenn man von unten bis zum hohen Gipfel sieht, glaubt man kaum, dass man diesen Aufstieg in zweieinhalb Stunden schaffen kann.

Von unten sieht der Inerie sehr hoch aus, dass man sich fragt, wie man den Aufstieg in zweieinhalb Stunden schaffen konnte.

Sonnenaufgang auf dem heiligen Berg
Einfacher ist der 1639 Meter hohe Kelimutu zu erreichen, denn eine Strasse führt bis zu einem Parkplatz fast auf den Gipfel. Er gilt als Highlight in Flores und ist für die Bewohner hier heilig. Auf dem Gipfel gibt es drei Kraterseen, jeder hat eine eigene Farbe. Im Abstand von mehreren Jahren verändern sich diese Farben aufgrund von Mineralien im Wasser von Schwarz zu Türkis, Rotbraun oder Grün. Die drei Seen ziehen viele Touristen an, aber es sind immer noch weniger als etwa auf Balis bekanntem Vulkan Batur.
Diesmal habe ich mich für die bequeme Variante entschieden. Um 4.30 wird unsere Gruppe von einem Fahrer abgeholt. Der sitzt in einen Sarong gehüllt auf dem Fahrersitz und schlottert. So früh am Morgen ist es kalt im Bergdorf Moni. In etwa 40 Minuten bringt uns der Fahrer zum Parkplatz des Kelimutu-Nationalparks. Von hier sind es nochmals etwa 25 Minuten bis auf den Gipfel. Dort steht eine Pyramidenartige Konstruktion, auf der schon etliche Touristen mit der Kamera auf den Sonnenaufgang warten. Diesmal werde ich nicht enttäuscht. Der Himmel färbt sich orange-rot und die Wolken bieten vor diesen Farben ein tolles Schauspiel. Als die Sonne als roter Ball am Horizont aufgeht, applaudieren einige Touristen. Schon bald nach dem Sonnenaufgang ziehen die meisten Touristen weiter und wir haben den Berg fast für uns allein. Jetzt wird es erst richtig spannend. Mit der steigenden Sonne werden die Oberflächen der Seen beleuchtet. Erst jetzt sieht man die intensiv leuchtenden Farben. Während der westliche See schwarzgrün schimmert, leuchten die beiden östlichen Seen türkis und tief blaugrün.

Die Touristen warten gespannt auf den Sonnenaufgang.
Die aufgehende Sonne bietet ein tolles Farbenschauspiel.

Die Bewohner von Flores glauben, dass die Seelen der Verstorbenen in den Seen weiterleben. Über dem türkisfarbenen See wabern Nebelschwaden und wüsste man nicht, dass diese durch das 80 Grad heisse Wasser verursacht werden, könnte man fast glauben, dass die Seelen ihre Runden über dem Wasser drehen. Ich könnte stundenlang in dieser friedlichen Atmosphäre verweilen. Über dem westlichen See ragt eine bogenförmige Felswand empor, die wie ein Amphitheater wirkt und das Zwitschern der Vögel verstärkt, so dass man sie bis auf den Gipfel hört.

Ein nicht ganz ungefährlicher Aussichtspunkt über den beiden Seen.

Hier verkaufen Indonesier Kaffee, Tee und Snacks. Markus, ein Parkranger, erklärt, dass der See vielleicht um zehn Uhr rot wird, vielleicht auch erst um 14 Uhr, vielleicht aber auch erst nächstes Jahr. Sein Englisch ist sehr rudimentär. Als ich ihn frage, ob der Vulkan noch aktiv ist, sagt er: «Yes. We sell coffee and tea here.» (Ja, wir verkaufen hier Kaffee und Tee.)
Gegen Mittag machen wir uns zu Fuss auf zum Abstieg. Man passiert auf der längeren Route über einen schmalen Pfad durch den Wald und durch Felder das traditionelle Dorf Pemo. Über diesen Weg erreicht man Moni etwa in dreieinhalb Stunden.

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