Ein Virus zwingt mich zur Heimkehr

Ein Virus zwingt mich zur Heimkehr

Als ich das erste Mal vom Coronavirus höre, bin ich in Mexiko und denke: «Schon wieder wird etwas Mexikanisches verteufelt: die Schweinegrippe wurde auch mexikanische Grippe genannt und nun muss Mexikos Bier als Namensgeber herhalten.» Das war im Januar. In den sozialen Medien kursierten witzige Fotos mit Heinekenbierflaschen, die sich durch eine Schutzmaske von der Coronabierflasche abschirmen.

Jetzt ist es Ende März und Mexiko ist eines der wenigen Länder, dessen Genzen noch nicht abgeschottet sind. Mein Flug geht heute Abend, es ist einer der letzten, mit dem ich in die Schweiz zurückkehren kann. Viele sind bereits gecancelt. Ich wollte eigentlich Mitte April nach Hause fliegen. Doch als immer mehr Länder begannen, ihre Grenzen dicht zu machen und Flugausfälle an der Tagesordnung standen, überlegte ich mir, den Flug umzubuchen. Ich dachte, Anfang April wäre ideal, dann könnte ich doch noch einiges vom Land sehen und zum Abschluss bei der Insel Cozumel tauchen.

Und dann kam der 13. März (ein Freitag…), an dem der Bundesrat bekannt gab, dass die Schulen geschlossen würden. Wenige Tage später die Restaurants und alle Läden. Ich muss euch den Verlauf ja nicht schildern. Am Wochenende schrieben mir meine Eltern unabhängig voneinander, es wäre wohl gut, wenn ich JETZT den nächsten Flug buche und nach Hause komme. Sie hatten es wohl im Gefühl. Ich konnte meinen Flug zum Glück noch umbuchen, vielen anderen ist das nicht mehr gelungen, sie sitzen jetzt in Mexiko fest.

Meine letzten Tage in Mexiko habe ich mehrheitlich unter Wasser verbracht. Bei den Adler- und Stachelrochen, den Schildkröten, Engelsfischen und Ammenhaien konnte ich den Wahnsinn, der sich gerade in der Welt ereignet, ein bisschen vergessen. Es war der ideale Abschluss meiner achtmonatigen Reise.

Die Banco Chinchorro vor Mahahuals Küste ist das grösste Korallenatoll der nördlichen Hemisphäre und bietet eine wunderschöne Unterwasserwelt.
Mit den Schildkröten auf Augenhöhe.

Im kleinen Fischerdorf Mahahual war von der weltweiten Panik und Abschottung noch nichts zu spüren. Zur Begrüssung gab es einen Händedruck und Freunde umarmten und küssten sich. Auf der Insel Cozumel hingegen ist die Panik angekommen. Gestern habe ich versucht, eine Maske zu kaufen, weil ich im Flugzeug während zehn Stunden keinen Zwei-Meter-Abstand zum nächsten Passagier halten kann. Es war nicht einfach. «Wir haben keine mehr übrig», hiess es überall, wenn ich nach einer Maske fragte. Irgendwann dämmerte es mir, dass dies wahrscheinlich gar nicht stimmte. Ich sagte zur nächsten Verkäuferin, ich bräuchte nur eine einzige Maske fürs Flugzeug, und plötzlich zog sie eine unter dem Tresen hervor. Und verkaufte sie für einen Wucherpreis.

Eine Mitarbeiterin der Fährgesellschaft desinfiziert den Passagieren die Hände.

Heute Morgen bildete sich vor dem Steg der Fähre eine lange Schlange, weil eine Mitarbeiterin der Fährgesellschaft jedem Passagier persönlich die Hände desinfizierte. Am Flughafen in Cancun merkt man nicht viel. Einige Menschen tragen Masken, aber nicht einmal ein Viertel aller Passagiere trägt einen Mundschutz. Check-In-Schalter stehen die Leute schon zwei Stunden an, bevor er öffnet. Neben an warten die Passagiere auf einen Rescue-Flug von der Condor Airline. Die Atmosphäre ist angespannter als sonst an einem Flughafen und ich bin froh, wenn ich nach Hause komme. Auch wenn mich dort erst einmal die Quarantäne erwartet. Aber wenn die vorbei ist, freue ich mich, meine Familie und Freunde wieder zu sehen!

2 Gedanken zu „Ein Virus zwingt mich zur Heimkehr

  1. Liebe Mirjam. Danke für deine lebendigen Schilderungen, die mich immer wieder geistig reisen liessen. Komm gut heim 🏡. Herzlich, Barbara

  2. Liebe Mirjam
    Du hast immer wieder Glück!
    Da Du nun in Quarantäne leben musst, ist doch die Chance die vielen Erlebnisse zu verarbeiten!
    Du wirst nochmals in die Tiefe tauchen !
    Herzlich willkommen!
    Maria

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