Rendezvous mit Kobra und Lombok-Beachboys

Rendezvous mit Kobra und Lombok-Beachboys

Giftgrün leuchtet mir die Schlange vom Plakat entgegen. Beim Eingang zum Krandangan Nationalpark frage ich den Wärter, ob es gefährlich ist, alleine loszulaufen. Er sagt, es sei kein Problem, die Schlangen seien nur nachts aktiv. Ich gehe also mutig los auf dem präparierten Weg durch den Dschungel. Der Krandangan Nationalpark befindet sich nur etwa zehn Fahrtminuten ausserhalb von Senggigi. Nun bin ich schon selbstsicherer auf dem Roller unterwegs. Etwas weniger sicher bewege ich mich durch den Wald. Immer wieder schaue ich links und rechts ins Gebüsch, ob sich etwas bewegt. Zum Glück entdecke ich keine Schlange. In der Trockenzeit führt das Flussbett neben dem Weg kein Wasser. Der Wasserfall ist deshalb nur in der Regenzeit vorhanden. Ein Besuch in den Nationalpark lohnt sich deshalb nur bedingt in der Trockenzeit, zumal der Eintritt 100’000 Rupiah (7.20 Franken) kostet. Man sieht vor allem viele schöne, grosse Schmetterlinge, die hier in allen Farben leuchten.

Der Weg führt durch den Dschungel.

In Gedanken versunken gehe ich den Weg entlang, als plötzlich etwas unmittelbar neben mir im Gebüsch raschelt. Als ich hinunterblicke, sehe ich tatsächlich eine Schlange. Ich bekomme einen riesigen Schrecken, bleibe aber nicht stehen, sondern gehe weiter und Gott sei Dank kriecht die Schlange in die entgegengesetzte Richtung davon. Als sie sich quer über den Weg schlängelt, sehe ich, dass sie schwarz oder grau ist und etwas über einen Meter lang. Ich spüre mein Herz bis in den Hals schlagen und bin nur wachsam beim Weitergehen. Jedes Rascheln lässt mich zusammenzucken, selbst wenn es nur ein trockenes Blatt ist, das von einem Baum fällt. Trotzdem gehe ich weiter, ich will sehen, ob es wirklich kein Wasser hat am Wasserfall. Weiter oben entdecke ich Affen im Gebüsch und sehe ihnen eine Weile zu. Da der Wasserfall wirklich nur ein Rinnsal ist, und ich von Moskitos gestochen werde, entschliesse ich mich, wieder zurück zum Ausgang zu gehen. Dort erzähle ich Denis, dem jungen Parkwärter von der Schlange. Als ich sie ihm beschreibe, macht er grosse Augen und sagt nur ein Wort: «Kobra!» Umso erleichterter bin ich, dass die Schlange mich nicht gebissen hat.

Denis holt eine Plastikbox, in der eine weitere Schlange schläft, es ist die grüne vom Plakat. Aber ich hatte für heute genug von Schlangen. Dafür will Denis mir den seltenen Vogel Schmuckpitta zeigen, den es nur auf den Molukken, Sulawesi, den kleinen Sundainseln und auf Lombok vorkommt. Es ist ein Sperlingsvogel, dessen Oberseite grün gefärbt ist, in den Flügeln hat er blau leuchtende Federn. Denis holt Maden aus einer Box, füllt sie in einen Beutel, nimmt einen Lautsprecher mit und wir gehen los durchs Dickicht. Nach der Begegnung mit der Kobra ist mir abseits des Wegs ziemlich mulmig zumute. Aber nach wenigen Schritten haben wir schon ein schwarzes Netz erreicht, das als Sichtschutz für die Vogelbeobachtung dient. Denis platziert einige Maden auf einem Baumstamm und legt den Lautsprecher daneben. Dann spielt er daraus die Laute des Schmuckpittas ab, um den echten Vogel anzulocken. Schon nach wenigen Minuten kommt dieser angeflogen. Wenn er fliegt, sieht man die schönen blaue leuchtenden Federn in den Flügeln. Während etwa fünf Minuten können wir den seltenen Vogel beim Fressen beobachten, bevor er sich wieder in den Dschungel zurückzieht.

Der Schmuckpitta kommt nur in Indonesien vor.

Den nächsten Tag verbringe ich am Strand. Neben der Bar, in der ich eine frische Kokosnuss trinke, sitzen einige Männer im Sand, einer spielt Gitarre, die anderen singen. Immer wieder sehe ich zu ihnen hinüber. Bis plötzlich einer von ihnen vor mir steht. Er fragt mich, woher ich komme. Das ist meistens die erste Frage hier. Und in Lombok ist die Schweizer Schokolade bestens bekannt. Denn jedem hier, dem ich meine Herkunft verrate, fragt mich, ob ich Schokolade mitgebracht habe. Ich frage, ob er Gitarre gespielt habe, worauf er mich einlädt, herüberzukommen. Die nächsten zwei Stunden verbringe ich mit ihnen am Strand. Die Gitarre, der eine Saite fehlt und deren Wirbel rostig sind, wird reihum gegeben, viele können einfach nach Gehör spielen. Wir singen bekannte Popsongs von den Beatles bis zu Luis Fonsi, wenn wir den Text nicht mehr wissen summen wir einfach.

Pop- und Rockklassiker spielen die „Lombok-Beachboys“ nach Gehör.

Aber die romantische Lagerfeuer-Atmosphäre trügt. Die Lombok-Beachboys, wie sie sich selbst nennen, sitzen nicht nur zum Vergnügen im Sand. Der Strand ist ihr Arbeitsplatz. Hier verkaufen sie selbst gemachte Armbändchen an die Touristen. Nur sind in den letzten Monaten die grossen Touristenmassen ausgeblieben. Das Erdbeben, das Lombok am 5. August 2018 heimsuchte, hat potenzielle Besucher eingeschüchtert. Damals starben knapp 500 Menschen, 7800 wurden verletzt. Ein Jahr danach ist Senggigi nicht mehr die Touristenhochburg, die sie einmal war. Die Beachboys haben kaum noch Kundschaft und verbringen die tote Zeit gemeinsam unter den Kokospalmen. Aus einer Petflasche mit einer weisslichen Flüssigkeit füllt jeweils einer von ihnen ein Shotglas und stellt es vor einen der anderen hin. Dieser trinkt entweder oder reicht das Glas an jemand anderen weiter. Es ist Reiswein, den ein Freund von ihnen selbst produziert. Er riecht stechend nach Essig und ich hoffe, sie sind nicht beleidigt, dass ich nicht davon probiere. Sie mischen ihn mit Bintang, dem lokalen Bier. Sie trinken ziemlich viel, immer wieder steht jemand auf und holt eine neue Flasche von dem wenigen Geld, das sie verdienen.
Obwohl ihre Situation nicht einfach ist, hört man sie nicht klagen. Sie lachen und sind fröhlich. Nur wenn sie das indonesische Lied über einen Tsunami singen, werden ihre Mienen ernst. Dann drücken sie mit den schwermütigen Klänge aus, was sie mit Worten nicht sagen.

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