Eine Stunde fährt Henny Rohy jeden Tag von Paga im Süden Flores’ ins kleine Bergdorf Moni, wo sie Mathematik unterrichtet. Auch am Samstag, 17. August ist sie hierhergefahren. Es ist ein besonderer Tag für die Indonesier, heute feiern sie 74 Jahre Unabhängigkeit von den Niederlanden. Mit der Feier erinnern sie an die Ereignisse von 1945. Die Besetzung Indonesiens durch japanische Truppen 1942 hatte die seit dem 17. Jahrhundert bestehende niederländische Kolonialherrschaft faktisch beendet. Am 17. August 1945 proklamierten Achmed Sukarno und Mohammed Hatta die indonesische Unabhängigkeit, Sukarno wurde zum ersten Präsidenten gewählt. Doch erst vier Jahre später – nach einem blutigen Guerillakrieg gegen die Niederländer – zogen sich diese endgültig zurück und die indonesische Flagge, die «Sang merah putih» (Rot und Weiss) konnte gehisst werden. Auf Flores kündigen schon Tage vor dem Unabhängigkeitstag rot-weiss-gestrichene Portale bei den Dorfeingängen den Festtag an. (Bild Portal)

Henny Rohy trägt die blau gemusterte Lehreruniform und einen schwarzen Jupe. Sie dirigiert ihre Schüler an die richtige Stelle auf dem Fussballfeld vor der Schule. Sie unterrichtet die älteren Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren. Alle tragen ihre Schuluniformen: blaue kurze Hosen und weisse Hemden. Mit Hilfe von Google Translator erklärt Henny Rohy mir, dass die Kinder der oberen Klassen die Uniformen mit blauen, die Kinder der unteren Klassen jene mit roten Hosen tragen. Die ganz kleinen Kinder tragen als «Uniform» einen Sarong und das traditionell gebundene Stirnband und bieten für die Touristen ein beliebtes Fotosujet.

In Reih und Glied stehen die Kinder auf der Wiese, die jüngeren setzen sich ab und zu hin, den bereits um 8.30 Uhr morgens brennt die Sonne vom Himmel. Alle warten bis die Zeremonie beginnt, doch der Regierungsminister des Bezirks, der sie leiten soll, ist noch nicht eingetroffen. Einigen Kindern wird von der Hitze schwindlig, mehrere Sanitäter am Rand des Fussballfelds kümmern sich um sie und führen sie vom Platz ins Schulhaus. Ein Junge wird sogar ohnmächtig und muss vom Feld getragen werden. Es ist heiss, um in der prallen Sonne zu warten.

Als der Minister mit einiger Verspätung eintrifft, kann die Zeremonie beginnen. Zuerst wird strammgestanden und salutiert. Dann marschieren die Fahnenträger mit der indonesischen Flagge auf das Feld und knüpfen sie ans Seil an der Fahnenstange. Ein Pianist spielt auf einem Synthesizer das Intro der Nationalhymne, es klingt, als hätten sich einige Blechblasmusiker zusammengetan. Die Kinder singen die Hymne, während die indonesische Flagge langsam gehisst wird. Darauf folgt die Ansprache des Ministers und die Kinder singen noch weitere Lieder. Nach der stündigen Feier dürfen sie sich endlich ins Gras setzen und ihren mitgebrachten Lunch essen. Nach der Zeremonie steigen die Kinder in ihre «Schulbusse», mit denen sie auf der Ladefläche eines Kleinlasters auf Holzbänden zu ihren Dörfern gefahren werden.

Für Adrianus Nulangi geht die Arbeit nun erst los. Der Journalist für das Onlineportal Radar News NTT hört sich weitere Ansprachen an, schiesst Fotos des Ministers und führt Interviews. Auch die Familien machen Fotoshootings ihrer Kinder. Zwei lassen ihre Kinder sogar mit dem Minister ablichten. Auch ich werde plötzlich zum beliebten Sujet für die Indonesier. Adrianus, eine Studentin und ein Mitarbeiter der Regierung möchten sich mit mir fotografieren lassen. Die Neugierde für fremde Kulturen und anders aussehende Menschen ist gegenseitig.