Ein begossenes Meerschweinchen und eine Liebeserklärung von einem Mönch

Ein begossenes Meerschweinchen und eine Liebeserklärung von einem Mönch

Die Freundlichkeit Myanmars Bewohner ist kein Gerücht. Bereits am Flughafen darf ich sie erleben. Müde von einem Tag, den ich in Thailand wartend verbracht habe, komme ich in Yangon am Flughafen an, ziehe am Geldautomat die Landeswährung Kyat und suche den Shuttlebus, der mich ins Zentrum bringen soll. Der Busfahrer ist nicht der freundlichste Mensch, es ärgert ihn, dass ich den Fahrpreis von 500 Kyat mit einer 10’000er-Note bezahlen will. Ein junger Mann, der schon im Bus sitzt, zahlt kurzerhand für mich und weigert sich standhaft, als ich ihm das Geld in Dollar zurückzahlen möchte. Er sagt, mir wo ich aussteigen muss und da er dieselbe Haltestelle hat, begleitet er mich sogar zum Hotel. Ich bin überwältigt von der Freundlichkeit, die er einer völlig Fremden entgegenbringt und fühle mich sofort willkommen in diesem Land.

Am nächsten Tag besuche ich die Sule Pagode. Um die goldene Stupa sind verschiedenen Buddhas angeordnet, über jedem steht ein Wochentag. Eine Frau erklärt mir, ich solle fünf Mal Wasser über den Buddha giessen und dann drei Mal eine Glocke schlagen, das bringe Glück.

Der Tradition gemäss begiesse ich den Buddha fünf Mal mit Wasser.

Nach getanem Ritual spricht mich ein junger Mann an. Wie die meisten Burmesen trägt er den traditionellen Longyi, einen Wickelrock. Er ist erstaunt darüber, dass ich als Frau alleine unterwegs bin. Dieses Erstaunen würde mir an diesem Tag noch mehrere Male begegnen. Er erklärt mir, dass ich das Ritual an meinem Wochentag hätte durchführen sollen, also an dem Tag, an dem ich geboren bin, also Freitag. Ohne, dass ich ihn darum gebeten habe, führt er mich zum Freitags-Buddha und sagt, ich soll nochmals fünf Mal Wasser über die Statue giessen. Dem Buddha zu Füssen sitzt ein Meerschweinchen, das Tier, das den Freitagsgeborenen zugeordnet ist. Da die zugehörige Zahl 21 ist, soll ich nun 21 Becher Wasser über das steinerne Tier giessen.

Der Freitagsbuddha mit dem Meerschweinchen zu Füssen.

Dann nimmt der Mann mich mit zu einem anderen Buddha, vor den ich mich im Schneidersitz hinsetzen und meine Augen schliessen soll. Eine Minute soll ich so «meditieren». Ich schummele, blinzle und sehe, dass der Mann an seinem Handy erst eine Nachricht schreibt und dann Fotos sucht. Ich sage, dass ich nun genug hätte, worauf er mir Bilder von sich als Mönch und von Waisenkindern zeigt. Ich müsse nicht, aber wenn mein Herz es mir sagt, soll ich ihm eine Spende geben. Ja, ich bin reingefallen. Ich gebe ihm einige Kyat und gehe dann weiter in Richtung Bahnhof.

Hier kaufe ich ein Ticket für den Circular Train. 200 Kyat, 13 Rappen, kostet die Fahrt. Die Strecke ist derzeit nur halb befahrbar, weshalb habe ich nicht genau verstanden. Schon das Warten auf den Zug ist ein Erlebnis. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ein Mann seinen Hund spazieren führt. Doch als ich richtig hinsehe, erkenne ich, dass es kein Hund, sondern eine Ziege ist. Eine Frau geht mit schnellem Schritt über den Bahnsteig und trägt ein riesiges Bündel auf dem Kopf. Als der Zug ruckelnd und lärmend einfährt, stürmen die Verkäufer an Bord. Eine Frau balanciert eine Schüssel voller gekochter Nudeln auf dem Kopf und klettert so die Stufen hinauf in den Wagen. Lauthals bieten die Händler ihre Waren feil und gehen rufend durch alle Wagen. Jemand verkauft Lesebrillen, ein anderer Lupen fürs Mobiltelefon, damit man Filme schauen kann. Orangen und Trauben werden ebenso angeboten wie Wunderpillen, von denen ich wegen der Sprachbarriere nicht weiss, was sie versprechen.
Die Fenster sind offen, an der Decke des Wagens hängen Ventilatoren, von denen nur einer funktioniert. Der Fahrtwind muss genügen.

Ein Mann mit seiner Ziege am Bahnhof in Yangon.
Eine Nudelverkäuferin steigt in den Zug.
Meditation während der Zugfahrt oder einfach ein Nickerchen?

An der vorübergehenden Endstation angekommen, ist auf dem gegenüberliegenden Gleis der andere Zug bereits dabei, abzufahren. Jemand schreit, dass noch Passagiere einsteigen wollen, worauf der Zug nochmals anhält. Ich klettere in den ersten Wagen. Der Zugvorsteher sitzt zuvorderst auf einem Plastikstuhl. Er wartet, bis wir eingestiegen sind, dann gibt er das Zeichen, der Zug setzt sich ruckelnd in Bewegung. Neben mir sitzt ein Mann, der auf einem Betelpriem kaut. Damit ist er nicht der einzige. Ein Grossteil der Birmanen kaut die selbst gemachten kleinen Päckchen, die man an fast jeder Strassenecke kaufen kann. Ein Blatt des Betelpfeffers wird mit Limonensaft bestrichen, darauf kommt Tabak und gehackte Betelnuss, dann wird das ganze eingewickelt. Ab und zu steht der Mann neben mir auf, dreht sich um und spuckt roten Saft aus dem Fenster. Betelprieme sind in Yangon allgegenwärtig. Überall begegnen einem kauende Männer und die Strassenränder und Trottoirs sind voller roter Flecke vom Saft.

Zurück in Yangon mache ich mich auf den Weg zum Hotel. Am Strassenrand sehe ich einen jungen Mönch stehen, der Kopfhörer in den Ohren hat. Als ich auf seiner Höhe bin, nimmt er sie aus den Ohren und fragt auf Englisch mit starkem Akzent, woher ich komme. Auch er ist erstaunt darüber, dass ich als Frau alleine unterwegs bin. Als er das erfährt, fragt er nach meiner Telefonnummer, die ich ihm aber nicht gebe. Stattdessen zeige ich ihm mein facebook-Profil. Er sagt, ich sei «beautiful» und betont mehrmals «I love you.» Mit seinen 21 Jahren hat er sich wohl noch nicht definitiv fürs Mönchsein entschieden. An der Kreuzung zur Sule Pagode trennen sich unsere Wege. Ob er Mönch bleibt oder lieber ein weltliches Leben führt, werde ich nicht erfahren. Aber ich habe da so eine Vermutung.

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