Bergschule mit Schülerradio

Bergschule mit Schülerradio

Wer auf Chiang Mais Hausberg den Doi Suthep fährt, will vor allem den gleichnamigen Tempel besuchen. Auch ich düse mit meinem gemieteten Scooter los über die kurvige Strasse den Hügel hinauf. Der Tempel ist, wie nicht anders zu erwarten war, völlig überlaufen mit Touristen. Thailändische Mütter haben ihre Töchter in die traditionellen Hmong-Trachten gesteckt und verlangen Geld, wenn Touristen sich mit den niedlichen Kleinen fotografieren lassen möchten. So schnell es geht, verlasse ich diesen Ort wieder und fahre weiter den Hügel hinauf.

„You want picture with me?“ Diesen Satz kann das ältere Mädchen in- und auswendig.

Selbst im traditionellen Bergdorf Ban Doi Pui haben die Bewohner bereits entdeckt, wie sie sich und ihre Traditionen vermarkten können. Ein Schild mit der Aufschrift «School Zone» zieht mich weg vom Trubel über einen sandigen Parkplatz zu einem langgezogenen Gebäude mit Wellblechdach. Vor drei Räumen sitzen Kinder in weissen Hemden, die Mädchen tragen blaue Röcke, die Buben khakifarbene Hosen. Die Lehrerin der ersten Klasse trägt eine khakifarbene Uniform und bringt ihren Schülern das Thai-Alphabet bei. Die Kinder üben schreiben und setzen sich der Reihe nach zur Lehrerin an das Pult, wo sie ihr vorlesen müssen.

Kinder der ersten Klasse lernen die Buchstaben des Thai-Alphabets.

Als ich mich nach meinem Besuch in Ban Doi Pui auf den Rückweg mache, sehe ich an einer Weggabelung einen Wegweiser mit der Aufschrift «Srineruh School». Er deutet noch weiter den Berg hinauf und ich habe meinen Plan für den nächsten Tag gemacht.

Am nächsten Tag nehme ich also die kurvige Strasse nochmals in Angriff. Kurz nach Ban Doi Pui wird die Strasse schmaler und immer schlechter. Das letzte Stück ist ungeteert und voller Schlaglöcher. Im Hmong-Dorf Ban Kunsangkeyn muss ich nach dem Weg zur Schule fragen. Ein netter Thailänder, dessen Name ich leider nicht erfahren habe, fährt mit seinem Scooter voraus und bringt mich zur Schule. Hier übersetzt er für mich, fragt, ob ich beim Unterricht zuschauen dürfe und lädt mich zum Kaffee ein. Sein Traum wäre, selbst Englischlehrer zu werden. Irgendwann fährt er zurück nach Chiang Mai, wo er wohnt. Ich bleibe und geniesse die Aussicht, während die Kinder und Lehrer Mittagspause haben.
Die Kinder bekommen das Mittagessen in der Schule. Danach wäscht jeder seinen Teller ab, versorgt ihn vor dem Klassenzimmer und geht zum Spielen. Die Jungs rennen auf dem spärlich mit Gras bedeckten Platz einem Fussball hinterher. Die Mädchen spielen Basketball. Dazu stehen zwei von ihnen jeweils an den Enden des Spielfelds auf einem Stuhl und halten einen Papierkorb in die Höhe. Wenn ein Ball geworfen wird, helfen sie mit dem verschieben des Korbes nach.

Ohne Basketball-Anlage wissen sich die Mädchen zu helfen.

Drei Mädchen der sechsten Klasse sind für das Schülerradio zuständig. Sie sitzen in einem kleinen Raum vor einem Laptop, lassen thailändische Popsongs durch die Lautsprecher spielen und sprechen dazwischen eine Moderation ins Mikrofon.

Die Srinehru Schule hat ein eigenes Schülerradio, das die Mädchen der sechsten Klasse organisieren.

131 Mädchen und Buben der ersten bis sechsten Klasse besuchen die Srineruh Schule. Sie leben alle im Bergdorf Ban Kunsangkeyn. Die Schule wurde von Jitti Pinthong und Supoj Hasong gegründet. Davor gab es für die Kinder im Dorf zuoberst auf dem Hügel keine Möglichkeit zur Ausbildung. Das Geld für den Bau spendeten indische Kaufleute, deshalb wurde die Schule nach dem ersten Ministerpräsidenten Indiens, Jawaharlal Nehru, benannt. Die Informationstafel der Schule ist etwas verwirrend: Da steht, dass die Schule 1947 gegründet und 1974 eröffnet wurde. Ich nehme an, dass bei einer Jahreszahl die letzten beiden Ziffern versehentlich vertauscht wurden. Ich konnte jedoch nicht in Erfahrung bringen, welche Zahl stimmt.

Altar meets E-Gitarre: Das Büro des Schulleiters.

Kurz vor 13 Uhr kommt eine Anweisung aus dem Lautsprecher des Radios und alle Mädchen und Buben gehen zurück zu ihren Klassenzimmern. Dort setzen sie sich ohne Schuhe im Schneidersitz vor die Türen – Mädchen und Buben getrennt – schliessen die Augen und sitzen so für etwa fünf oder zehn Minuten. Die Meditation soll sie vor dem Nachmittagsunterricht beruhigen. Nach einem Gebet, das zuerst Satz für Satz aus dem Lautsprecher gesprochen und dann von den Kindern wiederholt wird, gehen alle in ihre Klassenzimmer.

Geschichtsunterricht in der vierten Klasse.

Die vierte Klasse hat Geschichte. Anhand einer Karte, die der Lehrer an einem Fernsehbildschirm über der Tafel zeigt, lernen die Kinder, wie Chiang Mai früher ausgesehen hat.
Die sechste Klasse hat naturwissenschaftlichen Unterricht und lernt verschiedene Pflanzen kennen. Das nehme ich jedenfalls an aufgrund der Bilder, die die Kinder zeichnen. Von den thailändischen Erklärungen verstehe ich kein Wort. Die fünfte Klasse wartet auf ihren Lehrer. Ein Schüler bringt mir sein Englischbuch und fragt mich nach weiteren Worten. Ich bringe ihnen ein paar Brocken Englisch bei, die sie nach meinem Besuch wahrscheinlich bald wieder vergessen werden.  

Die Kinder wollten ein Selfie mit mir.

4 Gedanken zu „Bergschule mit Schülerradio

  1. Hey Mirjam

    Danke für den Bericht aus den thailändischen Bergschulen. Das Radio gefällt mir. Und die Idee mit der Meditation klingt auch nicht schlecht…. 😉

  2. Danke für diesen tollen Bericht, den ich lesen darf, weil eine glückliche Fügung uns letzte Woche in Chiang Mai zusammen hat Abendessen lassen. Dir weiterhin eine gute Reise und ich bin gespannt auf weitere Berichte! 😊

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