Husten, Heimweh, Hoffnungsschimmer

Husten, Heimweh, Hoffnungsschimmer

Noch nicht einmal zwei Monate war ich unterwegs, als ich in Byron Bay in meinem Hostelbett im Mehrbettzimmer lag und nur noch nach Hause wollte. Ich weiss nicht mehr genau, wann es anfing. Wahrscheinlich in Brisbane, als ich zwei Tage zuvor im Kino auf der Treppe stolperte, ein paar Stufen hinunterfiel und mir das Knie aufschlug. Nicht der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen, sondern die Demütigung. Eine Familie half mir auf, als wäre ich eine alte Frau. «So peinlich!», dachte ich. Auf der Toilette, als ich den Tränen freien Lauf liess, fragte ich mich: «Was ist los mit mir?» Diese Reise sollte eine Auszeit werden und doch fühlte ich mich gestresst.

Es waren wohl Australiens Distanzen, die ich massiv unterschätzt hatte. Bereits auf Magnetic Island, am Anfang meiner Reise, hätte ich mir gewünscht, länger bleiben zu können. Aber ich hatte einen straffen Zeitplan: In fünf Wochen von Cairns nach Melbourne mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Also musste ich nicht nur Magnetic Island, sondern auch Agnes Water/1770 und Fraser Island schneller wieder verlassen, als mir lieb war.

In Brisbane war ich so erschöpft, dass ich ausser einer Fahrt mit der gratis Fähre, dem City Hopper, gar nichts machte. Nach dem Kinobesuch und meinem Sturz auf der Treppe kam noch eine Erkältung hinzu. Abends lag ich mit 39 Grad Fieber im Bett. Und trotzdem fuhr ich am nächsten Tag weiter nach Byron Bay. Hier bekam ich auch noch Husten, der mich (und meine drei Zimmerkolleginnen) fast die ganzen Nächte lang wachhielt, was mich nicht unbedingt beliebt machte.

Wenn man krank ist, ist ein Schlafsaal nicht unbedingt das Richtige.

In Byron Bay gab es wirklich Momente, da wünschte ich mir, ich wäre zu Hause in der herbstlichen Schweiz. Ich vermisste nicht nur meine Familie und Freunde, sondern auch meine Routine. Der sonst als langweilig empfundene Alltag fehlte mir plötzlich. Ich wünschte mir etwas Normales, etwas Vorhersehbares, etwas Beständiges. Beim Von-Ort-zu-Ort-Reisen war die einzige Routine das Unbeständige. Und mein Kaffee am Morgen, den ich mit meinem heissgeliebten Kaffeefilter zubereiten kann.

Mein Reisekaffeefilter ist mein treuer Begleiter durch die Hostelküchen.

In Sydney buchte ich ein Airbnb, damit ich nachts meine Ruhe hatte und auch die anderen nicht mit dem Husten aufweckte. Husten musste ich trotzdem – wohl so laut, dass die Gastgeber mir am nächsten Morgen Hustensirup, Tee und Schokolade brachten.
Die Krankheit machte die Situation nicht einfacher, das Heimweh wuchs. Sydney gefiel mir unheimlich gut, vor allem die Gegend um den Hafen: Circular Quay und The Rocks. Und auch die vier Tage, die ich wandernd in den Blue Mountains verbrachte, waren ein absolutes Highlight. Und trotzdem blieb immer der Wunsch nach meinem ganz normalen Leben zu Hause. Das mag für viele, die von einer solchen Reise träumen, absurd und undankbar klingen. Aber so habe ich mich gefühlt. Bis vorgestern. Am Samstag bin ich aus den Blue Mountains zurück gefahren nach Sydney. Und weil ich die Stadt so liebte und schon kannte, fühlte es sich ein bisschen wie ein Nachhausekommen an. Als erstes suchte ich wieder das mir vertraute Quartier The Rocks auf und trank in meinem Stammcafé einen Cappuccino. Ich hatte sogar dieselbe Bedienung wie vor ein paar Tagen. Und da fühlte ich mich schlagartig wieder leichter. Später spazierte ich durch den Botanischen Garten mit Blick auf das Opernhaus und schlenderte an den Ständen des Marktes in The Rocks vorbei. Abends traf ich eine Reisende aus Frankreich, mit der ich in Indonesien schon vieles unternommen hatte. Ein bisschen Vertrautes in der Fremde, das half mir, mich von meinem Heimweh zu erholen.

Mein Lieblingsort in Sydney: die Harbourbridge und das Opernhaus vom Circular Quay aus fotografiert.

Nun freue ich mich auf meine geführte Tour durch das Outback von Melbourne via Adelaide und Alice Springs nach Darwin. Sie wird zeitlich sicher nochmals sehr gestrafft. Deshalb habe ich für Thailand, wo ich nach Australien sein werde, nur einen Plan: Absolut gar keine Pläne zu machen, sondern einfach zu geniessen.

Ein weiser Spruch im Treppenhaus des Hostels in Melbourne.

2 Gedanken zu „Husten, Heimweh, Hoffnungsschimmer

  1. Danke dir liebe Mirjam für diesen ehrlichen Bericht. Du kannst wundervoll ausdrucken, was in dir vorgeht. Das ist gut. Nun wünsche ich dir ganz viele Engel, die dich weiter begleiten… Herzlichst Papa

  2. Liebe Mirjam
    Deine ehrlichen Berichte sind spannend: ja, man gewöhnt sich an einen geregelten Alltag, an normale und außerordentliche MitbügerInnen, an ehrliche und „heimlifeisste“ Kolleginnen, an funktionierenden ÖV, an wohlmeinende Eltern, an langweilige und provokative PolitikerInnen, an den Wundern in der Natur …u.vieles andere mehr. Wir vergessen gerne, dass die Gesundheit aber ein kostbares und einzigartiges Gut ist. Trag Sorge und werde bald gesund. Vielleicht sind Einschränkungen wichtig für das persönliche Weiterkommen! Bis bald! Maria Huber

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