Fast ein bisschen «Eat, Pray, Love»

Fast ein bisschen «Eat, Pray, Love»

Ich habe ein Problem: Ich kann nicht lügen. Jedenfalls nicht, wenn mich ein balinesischer Rollervermierter fragt, ob ich gut fahren könne. Dann bin ich sogar so ehrlich und sage, dass ich noch nie zuvor gefahren bin. Der Vermieter sieht mich entsetzt an und schüttelt dann entschieden den Kopf. «I can’t give you a motorbike», sagt er. Es sei viel zu gefährlich. Ich kenne die asiatischen Strassenverhältnisse und weiss, welches Chaos hier im Verkehr in den Städten herrscht. Aber ein Roller ist nun mal die einzige Möglichkeit, mobil zu sein, und nicht einen teuren Tourguide mit Auto mieten zu müssen. Auch als ich in meinem Homestay nachfrage, heisst es zuerst nein und der Balinese schlägt mir vor, einen Fahrer zu mieten. «Aber irgendwann muss ich es ja mal lernen!», sage ich, worauf der Manager mir vorschlägt, einen Roller mit einer Versicherung zu mieten.

Gemeinsam mit Claudia, einer Reisenden, die ich hier kennengelernt habe, und mit der Versicherung getraue ich mich zum ersten Mal im Leben auf das motorisierte Zweirad. Natürlich nur mit Helm. Die jungen Männer, die uns die Roller gebracht haben, machen sich wahrscheinlich lustig, während wir erste Fahrversuche in der zum Glück leeren Gasse unternehmen. Sobald wir losgefahren sind, denke ich, eigentlich ist es ganz einfach. Bis wir auf die grössere Strasse einbiegen. Wir müssen im Linksverkehr an einer grossen Kreuzung ohne Verkehrsregeln rechts abbiegen. Hier fährt man mit Kompromiss. Wir machen viele Kompromisse, bis wir endlich die Kurve kriegen.

Das erste Mal in meinem Leben fahre ich alleine Roller.

Unser Ziel ist der Goa Rang Reng Wasserfall, etwas ausserhalb von Ubud. Als wir den Parkplatz heil erreichen, bin ich erleichtert und auch stolz. Im Vergleich zum Tegenungan Wasserfall kommen hier wenig Touristen her. Der Wasserfall war ein Tipp von Made, den wir zwei Abende zuvor im Dewa Warung kennengelernt haben. Er ist mit seiner Familie der Verantwortliche für die Führungen zum Wasserfall. Denn hierher sollte man nicht ohne Guide.
Zuerst sehen wir uns die Kaskade an, etwas unterhalb des eigentlichen Wasserfalls, wo das Wasser wie ein Schleier über die Felsen fällt. Wir dürfen uns ins Wasser setzen, das hier einen natürlichen Whirlpool bildet und werden von Nyoman, unserem Guide, fotografiert. Dass die Kaskade so idyllisch aussieht, ist Nyomans Bruder Made zu verdanken. Er hat den Fluss etwas oberhalb an einigen Stellen gestaut und das Wasser so über den Fels umgeleitet.

Durch die Umleitung des Wassers hat sich diese Kaskade gebildet.
Erfrischung im natürlichen Whirlpool.

Nach dem erfrischenden Bad im natürlichen Whirlpool führt uns Nyoman durch den Fluss aufwärts. Das Wasser reicht uns stellenweise über die Knie und man muss wissen, wo die noch tieferen Stellen sind, um sie zu vermeiden. Wir sind die einzigen Touristen hier, denn der Zugang zum Wasserfall ist ein Geheimnis und das soll er auch bleiben, deshalb werde ich ihn hier nicht verraten. Nur wer mit dem Guide raufgeht, findet den Wasserfall.
Unterwegs gehen wir an einem Tempel vorbei, der sich bereits seit sechs Generationen im Familienbesitz von Nyoman und Made befindet. Ihr Ur-ur-ur-Grossvater hat ihn gebaut. Aus dem Tempel kommt eine Leitung mit Wasser, das man trinken kann, da es direkt aus einer Quelle fliesst. Es schmeckt süss. «No sweet, no Bali», sagt Nyoman dazu und lacht.

Nach etwa 15 oder 20 Minuten erreicht man den Wasserfall. Bevor wir durch das Wasser näher hin waten, zündet Nyoman eine Zigarette an, legt sie als Räucherstäbchen-Ersatz auf einen Baumstamm und spricht leise ein Gebet.
Der Wasserfall ist hoch, aber er führt nicht allzu viel Wasser. Das Wasser ist herrlich kühl und bietet eine erfrischende Dusche. Etwas weiter flussaufwärts haben Made und sein Bruder eine Schaukel an Lianen befestigt. Hier kann man sich fürs obligate Instagram-Bild über dem Wasser hin und her schwingen. Noch weiter im Tal kommt eine Stelle mit vielen Steinmännchen. Und ich meine nicht einfach ein paar aufeinandergetürmte Steine. Das ist ein Beispiel von Balance par Excellence und der Erbauer der Türmchen muss eine unendliche Geduld gehabt haben. Stabil sind sie auch, sie müssen schon lange stehen, an einem hat eine Spinne ihr Netz gebaut. «Wenn ihr die Balance für das Steinmännchen findet, ist euer Leben im Gleichgewicht», sagt Nyoman. Mein Steinmännchen stand ziemlich schnell. Ob das im richtigen Leben auch so gut funktioniert?

Der Goa Rang Reng Wasserfall.
Eine kalte Dusche.
Für dieses Kunstwerk der Balance brauchte es enorm viel Geduld.

Zurück beim Ausgangspunkt offeriert Made uns Tee und Kaffee und dann lädt er uns zu sich in sein Healing House ein. Es steht mitten im Nirgendwo zwischen Reisfeldern und ist nur auf einem schmalen, sandigen Weg zu erreichen. Dafür ist es hier sehr ruhig und friedlich. Im unteren Stock wohnt Made, im oberen Stock wohnen Gäste, wenn er welche hat. Er hat sich der Global Healing Foundation angeschlossen, weil er Mühe damit hat, dass viele Lehrer nur für Geld Yoga und Meditation unterrichten, und es den meisten egal ist, ob die Kunden dabei etwas lernen oder nicht. Er will, dass alle Yoga und Meditation lernen können, auch jemand, der kein oder nicht viel Geld hat. Deshalb sind alle willkommen für ein Retreat und man kann so viel zahlen, wie man kann und für angemessen findet. Er hat bewusst keine Website. Er ist der Auffassung, dass wer ihn finden soll und will, ihn auch finden wird.

Nach der Ankunft zeigt Made uns den Garten und wir setzen uns auf eine erhöhte Plattform auf eine Bastmatte unter ein Dach aus Palmblättern. Hier meditiert Made ab und zu. Rundherum sind nur Reisfelder und Palmen. Man hört den Wind rauschen, das Wasser plätschern und sonst Stille. Auf einer Aare Land pflanzt Made Reis (er hat dazu Angestellte) und kann zwei Mal pro Jahr davon ernten, was 250 Kilo ergibt. Der Verkauf bringt nicht viel, momentan kostet ein Kilo Reis etwa 10’000 Rupiah (70Rp.). Mades Grossvater war Farmer. Von ihm hat er dieses Land geerbt.

Nachdem Made uns den Garten mit Bananen, Papaya, Passionsfrucht, Mangos, Kokosnüsse, Zitronengras, Limetten, Avocados, Chili und Tomaten gezeigt hat, bietet er uns eine frische Kokosnuss an. Er holt eine lange Bambusstange, lehnt eine Leiter gegen die Mauer und steigt darauf. Von der Mauer aus schlägt er mit der Stange eine Kokosnuss herunter. Mit einem sichelförmigen Messer schlägt er mehrfach darauf ein, um sie zu öffnen. Dann steckt er einen Strohhalm aus Bambus hinein und fertig ist das erfrischende Kokosnusswasser. 

Made öffnet die Kokosnuss.
Eine leckere Erfrischung!

Made meditiert täglich entweder früh morgens mit dem Sonnenaufgang oder abends. Er hat das Meditieren von seinem Grossvater und von seinem Vater gelernt. Seinen berühmtesten Lehrer dürfte mittlerweile aber jeder kennen: Das war Ketut, der spirituelle Lehrer aus dem Buch und Film «Eat, Pray, Love». Bevor er so berühmt und von Touristen überrannt wurde, gab er sein Wissen an Made weiter. Vier Jahre nachdem sich Ketut im Film selbst gespielt hat, starb er. Nun gibt Made sein Wissen an seine Gäste weiter, wenn sie ihn hier finden.

2 Gedanken zu „Fast ein bisschen «Eat, Pray, Love»

  1. Wow, das klingt nach wunderschönen und inspirierenden Erlebnissen! Verstärkt gerade mein Fernweh nach Indonesien!
    Selamat jalan, Mirjam!

  2. Liebe Mirjam bei Ketut war ich auch – ist bis jetzt leider nicht eingetroffen was er geweissagt hat…River rafting in Ubud ist übrigens auch ganz toll! Ich wünsche Dir weiterhin so tolle Erlebnisse und freue mich schon auf die Fotosession!

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